Diskussion und Lesung im Literaturforum im Brecht-Haus Berlin
„Da steckt eine solche Wut in dem Buch“, bekennt Veronica Frenzel am 14. Juni im Literaturforum im Brecht-Haus, „in der habe ich mich selbst wiedererkannt“. Frenzel hat unlängst ein Buch darüber veröffentlicht, wie präsent die Nazi-Vergangenheit ihrer Großeltern noch heute in ihrem Fühlen und Sprechen ist („In euren Schatten beginnt mein Tag“). Christian Geisslers „Anfrage“ war, so erklärt sie auf dem Podium zu dem Roman, für sie eine „sehr emotionale Lektüre“. Der jüdische Essayist Max Czollek, der sich in seiner Streitschrift „Versöhnungstheater“ damit beschäftigt, warum die Vergangenheitsbewältigung der Deutschen so wenig greifbare Konsequenzen hat und immer stärkere nationalistische Töne ermöglicht, macht den Schritt von der Befindlichkeit zu ihrer Basis: „An der konkreten Form, die Geisslers Wut annimmt, sehen wir, in welcher Gesellschaft er lebt.“ Moderator Ulrich Gutmair von der taz zeigt sich verblüfft, dass dieses Buch nicht längst zum Kanon gehört: „weil es so außergewöhnlich ist in der Kraft, die es entwickelt, aber auch, wie präzise es ist“.
Nach einer ausführlichen Einführung in den Roman vertieften sich Frenzel, Czollek und Gutmair in die Diskussion ihrer Lektüreerlebnisse. Nach einer Pause hat der Hamburger Schauspieler Michael Weber (Beitragsbild oben) aus dem Roman gelesen und in einer Schlussrunde debattierte der Schriftsteller, Politikwissenschaftler und politische Aktivist Raul Zelik mit Detlef Grumbach über mögliche Lehren aus dem Buch.