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Christian Geissler (1928 – 2008) war gleichermaßen politischer Aktivist und Autor von Romanen, Fernseh- und Hörspielen, Dokumentafilmen und Gedichten. Sein Werk atmet die Lust und die Liebe zu leben, erzählt von existenziellen Bedrohungen, Kämpfen und Glück. Geisslers Konsequenz, seine Radikalität und Zerrissenheit geben seinen Büchern ihre Aktualität. Sie machen sie heute interessant vor allem für jene, die über die Notwendigkeit von Widerstand und Militanz nachdenken – egal ob es gegen alte und neue Nazis, gegen die neoliberale Wirtschaftsordnung, Antisemitismus, Rassismus oder um die Rettung des Klimas geht.
Christian Geissler betrat 1960 als «junger Wilder» die Bühne der bundesrepublikanischen Literatur. «Anfrage» nannte er seinen ersten Roman, in dem er nach der Schuld der Väter und ihrem Umgang damit in der Nachkriegszeit fragt. Mit «Kalte Zeiten» (1965) wandte Geissler sich seinen Altersgenossen zu und zeigt ein junges Arbeiterehepaar, das vom Wirtschaftswunder träumt und im Wettlauf um den Konsum seine Liebe verkauft.
Schon seit Mitte der 1950er Jahre hatte der in Hamburg geborene Autor Hörspiele verfasst, in den 1960er Jahren wurde er Hausautor des NDR-Fernsehens. Er trat als Redner auf Ostermärschen und gegen Notstandsgesetze auf, war erst Redakteur der «Werkhefte katholischer Laien» und später des KPD-nahen «Kürbiskern». Bis Ende der 1960er Jahre wurden seine auch in der DDR gedruckt. Dort realisierte er 1966 auch zwei Fernsehspiele für den DFF. In den 1970er Jahren drehte er über 20 Dokumentarfilme für den NDR.
Mit seinen Romanen «Das Brot mit der Feile» (1973), «Wird Zeit, dass wir leben» (1976) und «kamalatta» (1988) wurde er zum Begleiter der politischen Linken und führte seine «Ästhetik des Widerstands», im Unterschied zu Peter Weiss, an die unmittelbare Gegenwart heran. Er gehörte zu den Mitbegründern des Hamburger Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD und setzte sich für die Zusammenlegung der RAF-Gefangenen ein.
In seinen letzten Büchern, «Wildwechsel mit Gleisanschluss» (1996) und «Ein Kind essen» (2001) verband er die historischen Erfahrungen des Nationalsozialismus mit der restaurativen Gegenwart der Bundesrepublik und thematisierte auf geradezu prophetische Weise die Fragen einer «Festung Europa» und die Jagd auf Flüchtlinge an ihren Grenzen.
Außerdem veröffentlichte Geissler mehrere Gedichtbände und politische Schriften.
Für «kamalatta» wurde Geissler 1988 mit dem Literaturpreis der Irmgard-Heilmann-Stiftung in Hamburg ausgezeichnet, er ist u.a. Träger des Adolf-Grimme-Preises (1972, 1973); des Hörspielpreises der Kriegsblinden (1993) und des Kunstpreises des Landes Niedersachsen (1998). Christian Geissler starb 2008 in seiner Heimatstadt Hamburg. Sein Nachlass befindet sich im Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt in Dortmund.
Die Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.
Die Christian-Geissler-Gesellschaft wurde 2012, vier Jahre nach Geisslers Tod, gegründet. Sie setzt sich für eine Wiederentdeckung und Diskussion dieses wichtigen Autors ein. Seit 2013 erscheinen seine Werke in Neuausgaben im Berliner Verbrecher Verlag. 2016 und 2020 (online) fanden im Literaturforum im Berliner Brecht-Haus Konferenzen zu Geisslers Werk statt.
Seit 2015 gibt die Christian-Geissler-Gesellschaft jährlich eine Broschüre mit noch nicht oder abseitig veröffentlichten Texten Geissler heraus, die durch editorische Notizen oder ausführliche Einleitungen in ihren Entstehungskontext eingeordnet werden.