Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.

Volkstrauertag (1964)

Panorama-Beitrag, NDR 1964,
9. November 1964, 7’50“
Redaktion: Eugen Kogon

Die „Zeit“ nannte den Beitrag beinahe ehrfurchtsvoll eine „filmische Fastenpredigt“, und zwar „genau im richtigen Moment“: Geisslers Beitrag zum Volkstrauertag 1964 im Polit-Magazin „Panorama“. Der Beitrag nennt die Namen der Kriegstoten. Nur 15 Sekunden das Gesicht eines jeden zeigen – das Erste Programm könnte ein ganzes Jahr nichts anderes senden, sagt der Sprecher.

   

Geissler zeigt auch Bilder von Soldatenfriedhöfen.
Der Sprecher fragt: „2.000 Kriegstote – was heißt das eigentlich?“
Die Antwort – im Bild sehen wir die fröhliche Kinderschar einer Volksschulklasse:
„Dies hier sind vierzig Kinder. Man nehme 50 Schulklassen, dann fünfzehn Jahre weiter, dann einen, der gibt den Befehl, und einen, der gibt den Segen. Dann totschlagen. Das sind 2.000 Kriegstote.“

   
   

Zu Beginn des Beitrags – so steht es im Manuskript – wollte er zeigen:
„Vereidigung von Bundeswehrsoldaten im Originalton“
Es geht also wieder los. Auch die Ostermärsche hätten in Bild und Ton gezeigt werden sollen.

   

Egon Kogon („Der SS-Staat“) war damals (von Januar bis Dezember 1964) Redaktionsleiter bei „Panorama“. Er wollte diesen Beitrag. Was folgte, schreibt Kogon ein gutes Jahr später im „Spiegel“:

„Der stellvertretende Intendant – ein sehr liberaler Mann beim NDR – sagte, das ist ausgeschlossen, daß der Beitrag über den Volkstrauertag erscheinen könne. Das sei also destruktivste Politik und richte sich praktisch auch gegen die Bundeswehr. Ich stellte das gänzlich in Abrede, fuhr sofort hin, debattierte mit ihm etwa 20 Minuten freundschaftlich, aber in der härtesten Weise gegeneinander. Wir konnten einander nicht überzeugen, worauf ich sagte, gut, dann kann die Sendung heute abend nicht von mir präsentiert werden, ich lasse diesen Beitrag nicht aus, oder die Sendung findet ohne mich statt … Am Schluß meinte der stellvertretende Intendant, nun gut, er sei bereit, nachzugeben, wenn ich auf … ein Stück dieser Sendung … verzichtete, nämlich auf die Darstellung einer Aktion der (gegen Atomwaffen und Luftschutz protestierenden) Ostermarschierer. Das berühmte Tabu in der Bundesrepublik. Die Ostermarschierer dürfen nicht erwähnt werden, ihr Name darf nicht einmal fallen.“
„Sie müssen da Rücksicht nehmen“ – Eugen Kogons Artikel im Archiv des „Spiegel“

Der Beitrag wurde zensiert und ohne die Rekrutenvereidigung und ohne Ostermarschbilder ausgestrahlt.
Die Sendung am 9. November 1964 zeigte auch noch einen Beitrag, wie Menschen aus dem Umfeld der KPD in politischen Strafverfahren verfolgt wurden.
Kogons Vertrag als Redaktionsleiter wurde in der Folge nicht verlängert.

Geisslers Beitrag im Archiv von „Panorama“

Die Sendung dauert knapp 40 Minuten. Der Beitrag beginnt etwa bei Minute 31.

Literatur
Das Manuskript ist gedruckt in: Christian Geissler: „Ende der Anfrage“ sowie in „Die Plage gegen den Stein“, rororo 4300 (1978).

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