Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.

Hörspiel: Annäherung an Christian Geissler

„Die Distanz war gegebenen“

nennt Clemens Böckmann seine radiophone Annäherung an Christian Geissler, die auf dem

Hörspielsommer Festival Leipzig 2019, am 14. Juli um 16.20 Uhr

erstmals gesendet wird. Im Programm des Festivals heißt es: „Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Christian Geissler. Anhand von Archivmaterial und unterschiedlichen Schriftstücken nähert sich der Autor Clemens Böckmann dem Schreiben und Sprechen, letztlich der Person, Christian Geissler an.“ Die Ursendung läuft auf dem

Die Christian-Geissler-Gesellschaft hat dieses Projekt ünterstützt. Wir haben Clemens Böckmann deshalb schon vorab gefragt, wie er überhaupt auf Christian Geissler aufmerksam geworden ist und was ihn angesprungen hat, sich in einem eigenen Werk ihm anzunähern. Hier seine Antwort:

Clemens Böckmann über Christian Geissler:

„Zu Christian Geissler kam ich das erste Mal Anfang der 2010er Jahre als ein Kollege mich auf ihn aufmerksam machte, vor allem auf ein Interview das Wolfgang Lettow 2005 im FSK mit Geissler geführt hatte (das Interview kann man hier nachhören). Schon beim Hören dieses Interviews faszinierte mich sein Blick auf eine mir damals weit entfernt scheinende Vergangenheit. Er, als ein Schriftsteller und Dokumentarfilmer, positionierte sich klar, und stand gleichzeitig damit vor dem Problem, sich sprachlichen, ästhetischen Fragestellungen nicht verweigern zu können. Ich las dann „kamalatta“, fand kaum einen Weg hinein, weder in die Sprache noch in die historischen Zusammenhänge. Christian Geissler sprang, blieb vermeintlich nicht bei den Zusammenhängen, kannte keine Interpunktion. Ich bestellte mir die Jahresgaben der Christian-Geissler-Gesellschaft, besorgte mir die Dissonanzen der Klärung. Beim Lesen dieser Reden, Mischungen aus Lyrik und Prosa und Prosa und Lyrik, verstand ich langsam, wie kamalatta zu lesen sein könnte. Gleichzeitig fand ich einen Autor, der eine Dringlichkeit ausstrahlte, die er Zeit seines Lebens nicht verloren hatte, auch – und das scheint gegenwärtig beinahe eine Ausnahme zu sein – wenn dies bedeutete, dass es schwierig werden würde sowohl einen Verlag zu finden als auch öffentlich Anerkennung zu bekommen. Christian Geissler blieb bei seinen Themen, in seiner Sprache, bestand auf das (k), nicht als Zusatz sondern als fester Bestandteil. jetzt können wir noch uns bewegen mit dem wissen der schatten und riße die da unlängst drin verwoben sind Da sprach ein Kommunist und er wagte es sich mit der Geschichte, auch und vor allem der kommunistischen, anders als wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Er suchte, auch in der Sprache, einen Weg zu finden, mit den Niederlagen, Rückschlägen und Irrungen, die das 20. Jahrhundert der kommunistischen Utopie unwiederbringlich zugefügt hatte, umgehen zu können. Mögen seine Erzählungen und Reden sich vor einem konkreten historischen Zusammenhang abspielen, ist doch etwas darin, was darüberhinaus weist. Die vielleicht zentrale Fragestellung in z.B. kamalatta danach, was der Hauptprotagonist Proff bereit ist für das Erlangen der Utopie aufzugeben, hat nichts an ihrer Aktualität verloren – mehr noch stellt sie eigentlich die weit verpönte Frage nach der konkreten Erscheinungsform der Utopie und dem Weg dorthin. Christian Geissler war und ist dabei nie unvoreingenommen, nie unparteiisch, nie aber auch ohne Widerspruch. Vielmehr, und das ist vielleicht auch eine besondere Qualität vor allem seiner Dokumentarfilme, ist er seinen Protagonistinnen und Protagonisten direkt an der Zunge. In ZEUGEN DER ZEIT – Richard Scheringer von 1980 sitzt er fast die kompletten Dauer des Filmes (mal in Gummistiefel, mal Rauchend, mal einen Schnaps trinkend) neben Richard Scheringer fragt ihn und hört ihm zu. Dabei verhält er sich nicht dokumentierend, gar ausstellend, vielmehr sucht er in den Worten seines Gegenübers, seiner Protagonist*innen Wege und Spuren, die die Widersprüchlichkeiten und Hässlichkeiten dieses geschichtlichen Augenblicks wie auch die kommunistische Utopie in ihnen zurückgelassen hat. Hier, wie in seinen anderen Arbeiten, macht er (s)einen Teil einer der wichtigsten Aufgaben: kommunistische Trauerarbeit.

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