Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.

Wer Macht gewinnt – Wer den Nutzen hat – Wer ist das? Teil I: Ende der Anfrage (1966)

Buch: Christian Geissler Regie: Lothar Bellag, 41’13″
Mit Ekkehard Schall in der Hauptrolle.
DFF (Deutscher Fernsehfunk, DDR), Filmgruppe Johannistal, 1966, Erstsendung 13.3.1966

Die Reportage „Ende der Anfrage“ entstand im Auftrag des „Stern“, wurde dort aber nicht gedruckt. Dann wurde sie als Hörfunk-Reportage vom SWF produziert, aber von Programmdirektor Günter Gaus kurzfristig abgesetzt. Gedruckt wurde sie zunächst in den „Werkheften katholischer Laien“ 3/1965, später in den Sammelbänden „Ende der Anfrage“ (1967) und „Plage gegen den Stein“ (1978). Das SWF-Hörspiel wurde immerhin am 27.10.2018 im Deutschlandfunk urgesendet.

   

Der Inhalt: Es gibt das Gerücht, dass in einem Behindertenheim in Österreich (Schloss Hartheim bei Linz, Vernichtungsanstalt für Behinderte und später politische Gegner, 35.000 Tote) während der Nazi-Zeit junge SS-Männer im Rahmen der Euthanasie-Programme eingesetzt wurden, um ihnen die Scheu vor dem Töten zu nehmen, dass das Heim also eine „Mörder-Schule“ war. Geissler fährt hin, gibt sich als Bruder eines SS-Mannes aus und fragt nach, trifft auf Vergessen, Totschweigen, Nichts-gewusst-haben, und dann doch auf zu gute Erinnerung: die haben alle etwas gewusst, sind aber abgestumpft und finden das „in Ordnung“. Der Pfarrer beschwert sich nur, dass der Jude Wiesenthal alles wieder hochwirbelt.

   

Das Ergebnis: Eine Mörderschule war es nicht. Das eigentliche Ergebnis der „Anfrage“ ist aber die Stimmung im Dorf, die Macht der Kirche. In ihren Augen ist derjenige der Schuldige, der es nicht lassen kann, immer wieder die alten Geschichten hervorzuzholen. Ihn – den Reporter Christian Geissler – trifft die ganze Aggressivität der Leute.

   

Interessant ist die sparsame Inszenierung dieser Reportage für das Fernsehen. Ganz in Brechtschem Sinne wird hier nicht der Anschein keine Reportage lebendig vorgegaukelt, sondern „demonstriert“. Als Bühne steht ein großes Podest in der Studio-Halle, hinten darauf eine Reihe Stühle für die Schauspieler. Der Aufbau wird abgeschlossen, während der Vorspann schon läuft. Vorne ein „Regie-Stuhl“ vor dem Posdest, ein fahrbares Gerüst zur Installation der sichtbaren Beleuchtung wird noch herausgerollt. Vorne nimmt Ellehard Schall in der Rolle des Reporters platz, erzählt die Geschichte und steigt selbst aufs Podest, wenn er verschiedene Situation mit dazu vortretenden Schauspieler:innen darstellt. Am Ende werden Fotos von westdeutschen Demonstrationen oder bekannten Politikern auf eine Leinwand projiziert.

Geisslers Resümee: „Wer sich an Siemens und Springer gewöhnt hat, den ficht weiteres Elend einstweilen nicht an, der sitzt kettenfest in den komplizierten Mechanismen der Blendung, der ist in ‚Ordnung‘, so wie die Hartheimer samt und sonders in Ordnung sind, in der Ordnung eines verdorbenen Landes. Vom Nationalsozialismus verdorben? Das ist das übliche Alibi. Nein. Verdorben von einem die vernünftigen Impulse des Menschen lähmenden Bewusstsein der Ohnmacht. Der Nationalsozialismus war lediglich eine der möglichen Folgeformen dieser Verohnmächtigung des Menschen. Wir werden, wenn alles so bleibt, neue, fürchterliche Folgeformen erst noch kennenlernen.
Wenn alles so bleibt?
Das ist jetzt unsere Sache.
Keiner von uns hat viel Zeit.“

Inhalt:

  • Christian Geissler: Ende der Anfrage. In: Werkhefte kath. Laien, 3/1965, Ende der Anfrage (1967) sowie „Plage gegen den Stein (1978)

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